Von Cornelia Henze
Falkenstein/Bergen/Plauen - Die Ereignisse am Pfingstsamstag an der Talsperre Falkenstein überschlagen sich. Zunächst verschwindet nachmittags gegen halb vier ein 85-jähriger Mann plötzlich im Wald und taucht nicht wieder auf. Die Ehefrau informiert um 18 Uhr die Polizei. Offenbar sei der Mann verwirrt gewesen, sagt ein Polizeisprecher am Sonntag. Acht Beamte vom Polizeirevier Auerbach, ein Team der Bundespolizei und ein Fährtenhund begeben sich in die Spur.
Bevor Rettungskräfte den Wald durchsuchen, ist eines geboten: Der zuständige Jagdpächter ist zu informieren. Dieser, ein Mann aus Falkenstein, warnt die Polizei: Keine Hunde im Wald frei laufen lassen. Im Vogtlandwald gebe es ein Wolfsrudel. Man habe den Rat des Jägers befolgt, den Fährtenhund an der kurzen Leine gehalten, so der Polizeisprecher. Einem oder mehreren Wölfen begegnet der Suchtrupp nicht. Gegen Mitternacht wird dafür aber der Gesuchte von Passanten in einem Seitengraben an der Poppengrüner Straße in Bergen gefunden.
Dass Wölfe durch den Vogtlandwald durchgezogen sind, ist belegt. Aber ist ein Rudel dort sesshaft? Bisher kennt man Wölfe nur aus Zoos, wie unser Foto zeigt. Foto: Lino Mirgeler/dpa
Der Mann sei in gesundheitlich angeschlagenem, aber nicht lebensbedrohlichen Zustand aufgefunden worden, teilt die Polizei mit. Der 85-jährige Falkensteiner wurde medizinisch versorgt. Der Auffundort befindet sich rund 8,5 Kilometer von der Stelle, an dem die Frau ihren Gatten das letzte Mal gesehen hatte. Wie und warum der Mann die lange Strecke zurückgelegt hatte, ist unklar. Für die Suche wird auch die Johanniter-Unfallhilfe aus Plauen mit ihrer Drohne zu Hilfe gerufen. „Wir haben ab 20.30 Uhr mit unserer Drohne das ganze Waldgebiet abgeflogen. Aber als es dunkel wurde, mussten wir abbrechen. Durch den dichten Wald hätte die Wärmebildkamera niemanden mehr aufspüren können“, sagt Drohnenflieger Tobias Schwarz. Auch Carola Deppler, Hundeführerin beim ASB, steht mit Kollegen und Hunden in den Startlöchern. Als der Vermisste gefunden wird, treten sie den Heimweg an.
Aber was ist mit dem Wolf? Dass ein Rudel in den Wäldern um Falkenstein/Dorfstadt/Grünbach und das Waldgebiet lebe, sei bei Wolfsexperten bekannt. Forst- und Jagdmitarbeiter wüssten Bescheid, an die große Glocke sei das allerdings von offiziellen Stellen noch nicht gehängt worden, sagt der Jagdpächter, der lieber anonym bleiben will (Name der Redaktion bekannt).
Bekannt sei auch, dass das Rudel über ein Monitoring kontrolliert werde, die Wölfin sogar einen Chip trage. Als Beweis für die Existenz eines Rudels nennt der Pächter mehrere Risse von Rehwild. Auch seien Spuren von Wolfs-DNA gefunden worden, die die Anwesenheit von mindestens vier Wölfen dokumentieren würde. Eventuell mehr Tieren, denn die Spuren seien übereinandergelegen, was die Identifizierung erschwere. Ob im Vogtlandwald Wölfe heimisch sind, fragte die „Freie Presse“ beim sächsischen „Lupus“-Institut für Wolfsmanagement an. Eine Antwort steht noch aus.
Im Landratsamt hält man die Schilderungen des Jagdpächters für glaubwürdig. „Ich gehe davon aus, wir haben Wölfe im Vogtland“, sagt Veterinäramtschefin Dr. Anne Schilder nach Rücksprache mit dem Pächter. Der Reichenbacher Rissgutachter Claus Herrmann hält ein „stehendes Rudel“ hingegen für unwahrscheinlich. Das müsse über ein halbes Jahr nachgewiesen werden. Sicher ist, dass Wölfe das Vogtland schon als Transitstrecke nutzten. |