Von Thorald Meisel
Bergen/Marieney - Die Erinnerungen an das Ende des Zweiten Weltkrieges sind verblasst, im Bewusstsein der Generationen der heute Dreißig- bis Fünfzigjährigen spielen diese oft keine Rolle mehr, weil sie nicht mehr bekannt sind, ja, sogar verdrängt werden. Das sagt Rüdiger Bernhardt, Literaturprofessor aus dem vogtländischen Bergen. Er beschäftigt sich in seinem neuen Buch, das seit wenigen Tagen erhältlich ist, mit einem Thema der Nachkriegszeit, das über Jahrzehnte kaum ein Thema war – die Tätigkeit von Kulturoffizieren in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949/50.
Professor Rüdiger Bernhardt Literaturprofessor aus Bergen
FOTO: Christian Schubert/Archiv
„In der DDR war das Thema nicht beliebt, weil die Kulturoffiziere 1949/50 von Stalin abkommandiert worden waren; danach verschwanden sie, bestenfalls duften sie wieder dort arbeiten, wo sie zuvor tätig gewesen waren“, schreibt Bernhardt im Vorwort seines Buches und nennt auch einen maßgeblichen Grund: „Sie hatten zu sehr die deutschen Traditionen im Blick und waren in der politischen Zielstellung um vieles moderater als die deutschen Kommunisten. Sie wussten, dass man mit einem Volk, das dem Faschismus zu großen Teilen gehuldigt hatte, keinen Kommunismus aufbauen konnte, sondern dass das nur sehr langsam angehen konnte. Deshalb waren sie auf ein sehr breites Bündnis aller Antifaschisten aus; das passte natürlich Stalin nicht.“
Rüdiger Bernhardt beschäftigt sich seit den 1960er-Jahren mit dem Thema der Kulturoffiziere. 1967 hatte er in Weimar die ehemalige Kulturoffizierin Galina Snamenskaja kennengelernt. „Oft hatte sie über ihre Tätigkeit in Halle/Saale gesprochen, und ich hatte von ihr vieles berichtet bekommen, was nicht in Protokollbänden und Abrissen stand“, erinnert er sich. Bernhardt hatte auch persönlich Kontakt zu führenden Offizieren wie Grigorij Weiß und Ilja Fradkin. „Dadurch kam ich zu Kenntnissen, die zuvor kaum einer hatte.“ Dazu hatte er eine sowjetische Doktorandin, die bei ihm eine Doktorarbeit über Anna Seghers schrieb und die in damals noch verschlossenen Moskauer Archiven einige Materialien besorgte.
Auf Bitten des Neue-Impulse-Verlages Essen hatte Rüdiger Bernhardt, der auch Mitglieder der Vogtländischen Literaturgesellschaft Julius Mosen ist, sein umfangreiches Material zu einem Buch zusammengefasst. Ende Februar war das 278 Seiten umfassende Werk fertig. Das Vogtland ist dabei mit der Wieder- eröffnung des Schulbetriebes zum 1. Oktober 1945 in Oelsnitz.
Rüdiger Bernhardt: „Maßstab Humanismus – die sowjetischen Kulturoffiziere“; Verlag Neue Impulse Essen; Preis: 19.80 Euro; ISBN: 978-3-96170-033-2.
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