Freie Presse - Auerbacher Zeitung - Sa., d. 30.06.2001
Von Wand und Decke leuchtet Jugendstil
St. Nikolai Kirche in Bergen weist viele Bauepochen auf — Gemeinde sammelte für Restaurierung

VON BIRGIT SCHULZE

Bergen. Wenn der Pfarrer der Gemeinde die Leviten liest, soll sie wenigstens nicht frieren. Heute liegen deshalb Heizungsrohre im Fußbereich, früher stand ein Ofen im Gotteshaus. Und dass der rußte, versteht sich. Zum Leidwesen der Kirche, irgendwann waren die Wände schwarz und sakrale Gemälde nur noch zu erahnen. So auch in der St. Nikolai Kirche zu Bergen.

Die wertvollen Wandgemälde des Dresdner Professors Paul Rößler von 1923 im Art-déco-Stil konnte man kaum noch erkennen. Deshalb sammelte die Gemeinde 1985 für die Restaurierung der Kirche. „In einem knappen halben Jahr hatten wir 52000 Mark zusammen“, ist Pfarrer Rudolf Bergau, der seit 1982 die Gemeinde leitet, noch heute stolz auf das Engagement der Bergener.

Mit warmem Brotteig rückte man dem Ruß auf dem Deckengemälde zu Leibe und legte die Pastellfarben wieder frei. Beim Auffrischen konnten die Originalfarben wieder aufgetragen werden, denn die Restaurierung der Malereien lag in den Händen des Bergener Malermeisters Ottomar Schmidt. Sein Großvater und sein Onkel hatten 1923 unter Leitung Rößlers die Kirche ausgemalt.

Am liebsten hätte es die Gemeinde damals gesehen, wenn man die Ehrenmale für im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder auf der Empore mit übertüncht hätte.

Kirche wurde zu klein

Aber Geschichte ist nun mal Geschichte. Pfarrer Bergau beschwichtigte: „Man nimmt sie gar nicht als solche war, sie wirken eher wie Schmuck.“

Aber nicht nur die jüngste Geschichte hat ihre Spuren im Gotteshaus hinterlassen. Die St. Nikolai Kirche ist ein Kaleidoskop verschiedener Baustile. Die Grundmauern stammen aus dem 16. Jahrhundert. Zwei Jahrhunderte später wurde die Kirche im Barock umgestaltet. Da sie aber bald nicht mehr ,,alle Christen des Ortes fasste, wurde sie im 19. Jahrhundert an der Westseite um fünf Meter verlängert, diesmal nach klassizistischen Vorlagen.

Heute finden 450 Besucher Platz in der Bergener Kirche. Der mittelalterliche Marienaltar wurde nach der Reformation nicht mehr geduldet. Erst nach 1900 war man offen für den ökumenischen Gedanken und holte den Fenster im Art-déco-StilAltar wieder an seinen angestammten Platz. Allerdings harmonierte der Schrein farblich nicht mit dem Inneren der Kirche. Deshalb setzte man 1919 die spätmittelalterlichen Heiligenfiguren des Altars in einen neuen Schrein. Um die Jahrhundertwende wurde der 40 Meter hohe Turm im Jugendstil umgebaut, der der kleinen Bergener Kirche ihr ganz besonderes Flair verleiht.

BESICHTIGUNG

Anmeldung unter Telefon 037463/ 89428 oder 037463/88317.

Ein Fenster im Art-déco-Stil, der um die Jahrhundertwende In der Bergener Kirche Einzug hielt. Professor Paul Rößler aus Dresden verzierte die Wände mit wertvollen Gemälden.