VON HEIKE MANN

BERGEN —Karin Kuneck schimpft: „Mein Mann geht über zehn Stunden arbeiten, was er als Lohn erhält, reicht trotzdem nicht zum Leben. Und genauso geht es seinen Kollegen in der Firma.“ Das Geld für den Einkauf im Supermarkt war oft nicht da, die Möglichkeit, für einen geringen Obolus Lebensmitteln von der Plauener Tafel zu erhalten, nutzte die Bergenerin deshalb schon seit Jahren. Doch mittlerweile gibt sie selbst die Lebensmittel aus – in Bergen.

Sie hat sich der Tafel für diese ehrenamtliche Tätigkeit angeboten. „Das fing an mit den Kisten für die Kollegen meines Mannes, nach und nach kamen immer mehr dazu, weil es sich herumgesprochen hat, dass es eine Ausgabestelle der Tafel in unserem Ort gibt“, erklärt die 56-Jährige, die im Sommer damit begann, unterm Carport an ihrem Haus die Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen. Von anfänglich 8 ist die Zahl der Kisten, die von der Tafel zur Verfügung gestellt werden, auf über 30 gestiegen. Seit kurzem ist die Ausgabe in der ehemaligen Schule, wo die Gemeinde einen Raum zur Verfügung gestellt hat. Hergerichtet hat ihn Gemeinderat Günter Ackermann. „Dafür muss man ihn loben“, sagen die Männer und Frauen, die zur Ausgabestelle kommen. In das Lob beziehen sie Karin Kuneck ein: „Das muss erst einmal einer machen, sich hier in die Kälte stellen, und auch noch für umsonst.“

Die 56-Jährige kennt die Männer und Frauen, die vor ihrem Tisch in der Schlange stehen, mittlerweile ziemlich genau: die zuckerkranke Frau bekommt die Pampelmuse, die Mutter von drei Kindern eine Packung Backmischung, ein weiterer Kunde bekommt statt der ungeliebten Radieschen einen Blumenkohl. „Alle sind sehr dankbar und freuen sich und ich mache das gern, wir sitzen doch alle im selben Boot“, sagt die Bergenerin. Oft wird gescherzt oder der neueste Tratsch aus dem Dorf ausgetauscht. Dabei ist es den meisten gar nicht zum Lachen. „Bei uns auf dem Dorf sind viele schlecht dran. Arbeit gibt es keine, und dort, wo nur einer arbeitet, reicht das Geld kaum, um Haus und Grundstücke zu erhalten“, erklärt sie sich, warum immer mehr Leute zu ihr in die Ausgabestelle kommen. „Auf alle Fälle ist es ja auch eine Erleichterung: Früher mussten sie zur Tafel nach Plauen fahren, sieben Euro kostet da die Busfahrt.“

„Wir freuen uns, dass sich in Bergen jemand für die Lebensmittelausgabe gefunden hat, Frau Kuneck ist eine ganz nette“, so Rosi Gottschling von der Plauener Tafel. „Dass das jemand ehrenamtlich macht, ist wirklich der seltene Fall.“

Karin Kuneck teilt in der ehemaligen Schule in Bergen Lebensmittel an Bedürftige aus. FOTO: SILKE KELLER-THOSS

Die Plauener Tafel

Die Arbeitsloseninitiative mit Sitz in Pausa betreibt drei Ausgabestellen in Plauen und weitere acht im Vogtland. Pro Woche werden mit gespendeten Lebensmitteln bis zu 800 Familien unterstützt. Seit Oktober 2000 wurden 2145 Tonnen Lebensmittel ausgereicht.

Die Ausgabestelle Auerbach befindet sich in der Rathenaustraße 6. Ausgabetermin ist montags, 13.30 bis 15 Uhr.

Wer Lebensmittel spenden will, kann sich in Auerbach ans Auerbacher Begegnungs Centrum (ABC), Altmarkt 9, Telefon 03744 81799, und in der Hauptstelle Plauen an Rosi Gottschling, Telefon 03741 280031, wenden.

Am 17. Dezember, 15 Uhr veranstaltet die Arbeitsloseninitiative eine Weihnachtsfeier für sozial Benachteiligte. Familien mit Kindern können sich dafür noch anmelden.