VON BERND APPEL
BERGEN — Für Kabel-Fernsehen ist dieser Preis wohl nicht zu schlagen: Die Antennengemeinschaft (ATG) Bergen verlangt von ihren rund 300 Teilnehmern je 40 Euro – im Jahr. Dafür gibt es über 150 digitale Fernsehsender, auch zehn analoge sind noch dabei. „Das ist geschenkt“, meint Günter Ackermann, der ATG-Vorsitzende. Er ist stolz darauf, dass es seit der Euro-Umstellung keine Erhöhung gab. Außer Gema müssen von den Gebühren vor allem Stromkosten, Versicherung, die VG Media und die technische Wartung bezahlt werden. „Wir sind gut ausgestattet, und wir haben ein paar Aktive in Buchhaltung, Technik und Revision, die hier ihr Herzblut einbringen – ohne Idealismus geht das nicht“, meint Ackermann. Der Gründer und Vorsitzende der ATG wird 70 und versucht seit 1999, einen Nachfolger für das Amt zu finden – bislang vergeblich,
Günter Ackermann im Schaltraum der Kopfstation auf dem Harzberg: Von hier aus kommt das Fernsehen in 300 Bergener Haushalte. Rund 18 Kilometer Erdkabel wurden durch die Antennengemeinschaft verlegt. FOTO: JOACHIIM THOSS
„Ich mache aus Pflichtbewusstsein weiter“, sagt der Rentner. Die Postzulassungsurkunde für Bergens Kopfstation läuft auf seinen Namen. „Die Leute haben mir damals ihr Vertrauen geschenkt – das kann man nicht einfach abschütteln.“
Damals, das war in den letzten DDR-Jahren. Kollegen kamen 1987 auf Ackermann zu, ob er nicht eine Antennenanlage für Bergen in Angriff nehmen könnte. Der Wismut- Kumpel war kommunalpolitisch aktiv: „Man traute mir das anscheinend zu.“ Hintergrund war, dass die Bergener gern Sender wie RTL und Sat1 sehen wollten – ARD und ZDF bekamen sie „dank Ochsenkopf“ bereits optimal. Gegenüber den Behörden begründete man das Ganze allerdings mit dem miesen Empfang der DDR-Sender. Ackermann suchte sich einen Buchhalter und einen Mann mit dem nötigen technischen Wissen und ging die Sache an.
„Die Leute haben mir damals ihr Vertrauen geschenkt.“
Günter Ackermann Vorsitzender
der Antennengemeinschaft Bergen
Im April 1989 erläuterte er den Bergenern im „Goldenen Hahn“ das Projekt. Und bat pro Haushalt um eine Anzahlung von 1000 Mark. „Es haben fast alle bezahlt. Von 430 haben 420 mitgemacht“, staunt er heute noch ein bisschen. „So was wird es nie wieder geben.“ Außerdem waren 20 Stunden Arbeit zu leisten.
Ackermann und seine Mitstreiter kämpften mit Bürokratie und Materialknappheit: Kabel gab es nur mit Genehmigung und nur in einem einzigen DDR-Betrieb. Um zwei Masten zu ergattern, mussten 800 Kilogramm Schrott gesammelt werden. Als man die Hürden genommen hatte, kam die Wende. Alles war anders, immerhin behielt Ackermanns Postzulassungsurkunde ihren Wert. Mit deren Hilfe konnte der ATG-Vorstand im Februar 1990 in einem Nürnberger Unternehmen für 30.000 DM Material ergattern, die Bezahlung wurde „gestundet bis zur Währungsunion“. „Das war ein sensationelles Entgegenkommen“, meint der Bergener. „Auch das ist nur mit einer gewissen Euphorie zu erklären.“
Mit Jochen Junghans als Technischem Leiter wurde das Projekt gestemmt, am Ende wurde eine halbe Million D-Mark verbaut. Die Erstzahlung der Bergener hatte sich durch die Währungsunion halbiert, für die Fertigstellung wurde ein Nachschlag von 300 DM pro Haushalt fällig. Und auch das klappte. Im Sommer 1991 waren fast alle Bergener an die Antenne angeschlossen.
Seitdem muss immer wieder investiert werden, 1996 begann die Digitalisierung. Schwierig ist es, die Besitzer von alten und hochmodernen TV-Geräten unter einen Hut zu bringen: Die einen brauchen ein eher schwaches Signal, für die anderen kann es kaum stark genug sein. „Dank des Engagements von Enrico Trapp ist die Technik auf hohem Niveau und die Wartung abgesichert.“ Sauer ist Günter Ackermann darüber, dass so mancher Vertreter der nachwachsenden Generation sich nicht selbst anmeldet, um die besagten 40 Euro jährlich zu sparen. Und das überhaupt die Zahlungsmoral sinkt: „Die Fairness lässt bei manchem zu wünschen übrig.“
Ansonsten hofft Bergens TV-Chef, dass sich bald Leute finden, die die Antennengemeinschaft zu ihrer Sache machen: „Wenn irgendwann an einen Kabelnetz-Betreiber verkauft werden muss, dann wird alles ganz anders – vor allem viel teurer.“
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