VON SYLVIA DIENEL
BERGEN — Bei Bernd Windisch ist die Zeit stehen geblieben. Im Garten, im Haus. Beides ist mit geschnitzten Szenerien aus dem Dorfleben um 1900 bestellt: rustikale Figuren, die ihren Gewerken nachgehen, eine ebenso rustikale Kirche, Mühle, Kapelle und Lebensuhr.
Bernd Windisch hat in Bergen die Miniatur-Schauanlage von Karl Singer bewahrt. Wo die Volkskunst aus den 1930er- Jahren nach einem Zwischenspiel in Plauen künftig ausgestellt wird, ist derzeit noch unklar. Windisch hofft auf eine touristische Einrichtung wie den Ifa-Ferienpark als Ausstellungsort. FOTO: JOACHIM THOSS
Aus 16 Häusern und über 60 Figuren setzt sich die Miniatur-Schauanlage in der Neuen Scheune Bergen zusammen. Dort ist sie noch bis Ende September zu sehen. Dann baut Bernd Windisch das Dörfchen ab und überlässt es dem Plauener Elsterpark vorübergehend. Eine Ausstellung mit Vorführungen ist für die Zeit vom 1. Advent bis Mitte Januar 2018 geplant.
Windisch selbst hat die Anlage nicht gebaut. Sie ist das Lebenswerk von Karl Singer aus dem Nachbarort Schönau. Bauer und Volkskünstler in einer Person, holte ihn während der 1920er-Jahre die Weltwirtschaftskrise ein. Als mit dem Bauernhof kein Geld mehr zu verdienen war, richtete Singer sein Augenmerk auf eine sumpfige Wiese im Ort. Nach und nach gestaltete er das Areal zum Schwimmbad um und betrieb es bis 1961 in eigener Regie. Dann machten ihm hohe Auflagen einen Strich durch die Rechnung. Er übereignete das Bad der Gemeinde und arbeitete als Angestellter weiter. „Irgendwann in den Dreißigerjahren hatte Karl Singer begonnen, die Häuser und Figuren zu schnitzen“, weiß Bernd Windisch. „Jedes Jahr ist was Neues dazugekommen.“
Nach dem Tod des Volkskünstlers 1978 verschwand auch die Dorflandschaft. „Sie lag dann bei einem Neffen, war im Weg und reif zum Zerhacken“, erzählt Windisch. Er und seine Frau Gabriele ersparten dem Kunstwerk Anfang der 1980er- Jahre dieses Schicksal. „Wir haben unseren Trabbi zurückgestellt und die Anlage gekauft“, schaut er zurück. Stück für Stück bauten sie das Singersche Erbe in ihrem Grundstück wieder auf. Nach und nach kam per Fädchen, Drähtchen oder Wasserkraft wieder Bewegung in die Figuren. Im Jahr 2000, zum 100. Geburtstag ihres Erbauers, war die Anlage fertig.
Manchmal stauen sich die Besucher im Hof und in der zur Galerie umfunktionierten Tischlerei. „Wir hatten sofort Zuspruch wie ein mittleres Museum“, berichtet Bernd Windisch. Der Rekord liegt bei 400 Gästen an einem Nachmittag. Aus allen Himmelsrichtungen und Generationen schauen Menschen vorbei. „Schön ist es, wenn Omas und Opas Enkelkinder mitbringen und ihnen anhand der Figuren ihre eigene Geschichte erzählen“, freut sich der 73-Jährige. „Omas sagen dann zum Beispiel, dass samstags immer der Teppich geklopft wurde.“ Damit ist eine der Figuren beschäftigt.
Windisch lernte im Schönauer Bad schwimmen und erinnert sich besonders gerne an eine Kapelle am Badeingang. „Dort hat die Frau von Karl Singer 20 Pfennige kassiert und den Hebel für eine Platte umgeworfen, die zum Orchester gespielt hat.“ Den Anlagenretter begeistert vor allem eines: „Der Mann selbst“, sagt Bernd Windisch. „Es ist unglaublich, mit welcher Hingabe und Leidenschaft er das alles für andere Menschen gebaut hat.“ Seit längerer Zeit sucht er nach einem besseren Platz. Der Bergener möchte das Dörfchen unbedingt an eine touristisches Einrichtung als Dauerleihgabe weiterreichen.
DIE MINIATUR-SCHAUANLAGE in der Neuen Scheune Bergen, Am Forsthaus 9, ist an den verbleibenden Samstagen und Sonntagen im September von 14 bis 18 Uhr geöffnet.
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