VON BERND APPEL
BERGEN — Joachim Queck (64) ist außer sich, wenn er über seine jüngste Begegnung mit Werner Schaller spricht. Wie an jedem Dienstag habe er am 6. Dezember Zeitungen ausgetragen und dabei ein Grundstück an der Plauenschen Straße passiert, als er dort von Schaller angegriffen worden sei. „Beleidigungen gab es oft, diesmal ist er zum ersten Mal handgreiflich geworden“, sagt er. Schaller habe ihn geschubst und in den Schwitzkasten genommen, er sei gegen den Zaun geflogen und habe sich Verletzungen zugezogen. „Ich habe mich zurückgehalten“, versichert Queck. Doch Schaller sei „ein aggressiver Mensch“, dem endlich Einhalt geboten werden müsse.
Werner Schaller (56) sieht das ganz anders: Queck sei „ausgerastet“, habe ihn geschubst und versucht, auf ihn einzuschlagen. „Ich habe ihn nur solange festgehalten, bis er aufgehört hatte zu schlagen“, erklärt er. Die Verletzungen habe Queck sich selbst zugezogen. Die Männer zeigten sich gegenseitig an. Und die Plauener Staatsanwaltschaft hat die Verfahren bereits eingestellt – es gebe keine objektiven Tatzeugen, keine erheblichen Verletzungen und kein öffentliches Interesse.
Ein „normaler“ Nachbarschafts- Zwist, könnte man meinen. Doch hinter dem Bergener Fußweg-Konflikt steckt ein schier endloser Grundstücksstreit. Werner Schaller legt sich dabei nicht nur juristisch mit Behörden an, sondern auch außergerichtlich mit Passanten. Es geht um 18 Quadratmeter Fußweg vor seinem Haus, als deren Eigentümer er im Grundbuch steht. Die Grenzen dieser Fläche hat er mit Spray markiert. Und wer sie betritt, der muss damit rechnen, von Schaller „des Grundstücks verwiesen“ zu werden, wie er es ausdrückt. Wer dies vermeiden will, müsste auf einem schmalen Streifen direkt am Rand der viel befahrenen Bundesstraße laufen.
Im Ort kursieren Berichte über mehrere Vorfälle auf dem umstrittenen Stück Fußweg. Sicher ist, dass vor dem Anwesen eine Radfahrerin zu Fall kam. Sie zeigte Schaller wegen Körperverletzung an, er sie ebenfalls. Das Verfahren wurde eingestellt, mangels öffentlichen Interesses. Die Frau habe ihn „von hinten an der Wade angefahren“ und dabei verletzt, erklärt Schaller zu dem Fall.
Schaller erläuterte bereits 2010 mit Holzlatten, wo die Grenzen seines Grundstücks auf dem Fußweg verlaufen. Inzwischen hat er diese mit Farbspray markiert. Wer hineingeht, riskiert einen „Platzverweis“. Und Schaller hat angekündigt, das Stück einzuzäunen. FOTO: S. KELLER-THOSS/ARCHIV
Juristisch kämpft Schaller seit 2008 um die 18 Quadratmeter Grundstück, die er im Zuge des Straßen- und Fußwegbaus faktisch einbüßte. Gegen den entsprechenden Vertrag zog er bis vors Bundesverfassungsgericht. Dieses hat nach seinen Worten die Klage allerdings abgewiesen. Den Bergener entmutigt das nicht: Jetzt klagt er gegen die Vermessung von damals, will notfalls erneut durch alle Instanzen. Sein Ziel ist eine Verlegung der B 169, weg von seinem Grundstück. Momentan führe sie zu dicht an seinem Haus vorbei, der Verkehr zerstöre dessen Grundmauern.
Fußweg vor Schallers Haus gestern: Auch in Sachen Räum- und Streupflicht gibt es Streit mit der Kommune. FOTO: S. KELLER-THOSS
Laut Bergens Bürgermeister Volkmar Trapp ist es für Fußgänger „völlig uninteressant“, wer im Grundbuch steht: „Es gibt eine öffentliche Widmung, insofern darf da natürlich jeder ungehindert laufen.“ Dies sieht Carmen Reiher, Chefin des Verwaltungsverbandes Jägerswald, genauso. Trotzdem will sie die Änderung des Grundbuchs: „Wir haben ein rechtskräftiges Urteil – aber ich komme dort nicht rein.“ Schaller sei es bisher erfolgreich gelungen, die Eintragung durch die Beschäftigung sämtlicher juristischen Instanzen zu verhindern. Hier habe „der Rechtsstaat Lücken“.
Werner Schaller bestreitet eine Gültigkeit der öffentlichen Widmung für sein Stück Fußweg. Und er kündigt an, vollendete Tatsachen zu schaffen: „Ich werde das Stück demnächst einzäunen.“
An der B 169 in Bergen droht damit eine weitere Eskalation. Und so wird Joachim Quecks Forderung wohl ein frommer Wunsch bleiben: „Ich will nur, dass wieder Ruhe einkehrt und jeder dort vorbeilaufen kann, ohne angegriffen zu werden.“
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